Sebastianusstraße in 2009: Stress, kaum Aufenthaltsqualität

Sebastianusstraße in 2009: Stress, kaum Aufenthaltsqualität © Heribert Adamsky, ADFC

Sebastianusstraße: Vorwärts entwickeln, nicht rückwarts!

Im Planungsausschuss am 20. Februar steht ein Antrag auf der Tagesordnung, der praktisch auf eine Rückabwicklung des Verkehrsversuchs auf der Sebastianusstraße bedeuten würde. Wir halten das Ansinnen für einen schweren Fehler und laden zum Dialog ein

So wie in unserem Archivbild sah die Sebastianusstraße viele Jahre lang aus. Autos dominierten den Verkehrsraum. Lieferanten parkten in zweiter Reihe, weil der Seitenraum von Kurzzeitparkern belegt war. Die Kurzzeitparker störten beim Rangieren den Verkehrsfluss. An der Ampel gab es dauernd Gedränge und Stau, weil die Taxis sich einfädeln mussten. Der gegenläufige Radweg wurde regelmäßig von Autos blockiert. Für Radfahrende war die Sebastianusstraße ein Ort, den man nicht gerne befuhr, der aber als einzige zentrale Querung über den Hauptstraßenzug hinweg alternativlos war.

In einem Verkehrsversuch wurde die Sebastianusstraße zusammen mit dem Glockhammer umgestaltet und verkehrsberuhigt. Aufenthaltsqualität und Sicherheit für Rad- und Fußverkehr haben davon profitiert, es gab viel Lob, Anerkennung und Aufmerksamkeit für mutige Neusser Verkehrspolitik auch über die Stadtgrenzen hinaus.. Diesen Fortschritt will nun die CDU in einem Antrag an den Planungsausschuss rückgängig machen. Ihre Forderungen lauten:

  1. Alle Straßenmöbel auf Sebastianusstraße und Glockhammer entfernen, Parkstände wieder für Kurzzeitparker freigeben und den Taxistand vom Glockhammer zurück auf die Sebastianusstraße verlegen
  2. Die Sebastianusstraße rund um die Uhr für KFZ-Verkehr freigeben in der Hoffnung, die soziale Kontrolle in den Nachtstunden zu erhöhen
  3. Die Hochbeete entweder in eine abgelegene Freifläche verlegen oder als Hindernisse zur Temporeduzierung einsetzen
  4. Neue Sitzmöbel durch die Geschäftstreibenden aufstellen, die morgens aufgestellt und abends abgebaut werden

In der Begründung findet sich der bemerkenswerte Hinweis, dass zwar "einige Aspekte der Neuordnung durchaus positiv zu bewerten sind, wie die allgemeins Temporeduzierung auf der Straße und die Aufwertung als Fahrradroute". Man vertritt aber die Auffassung, dass die Nachteile, zu denen man neben nächtlichen Ruhestörungen den ungepflegten Zustand und eine geringe Akzeptanz bei den Händlern zählt, die Vorteile überwiegen. Mit anderen Worten: Man misst in dieser sensiblen Innenstadtlage dem Auto als Verkehrsmittel einen höheren Stellenwert bei als dem Rad- und Fußverkehr. Das ist keine Haltung des Fortschritts, das ist Rückschritt.

Im Folgenden unterziehen wir die Forderungen der CDU einem Faktencheck.

Zu 1. Straßenmöbel, Kurzzeitparker, Taxistände. Die Straßenmöbel haben die Aufenthaltsqualität der Sebastianusstraße deutlich erhöht und wurden von einkaufenden Familien, Einzelpersonen und Schüler:innen für Erholung und Kommunikation gut angenommen. Man hat allerdings die Möblierung nach Ende des Verkehrsversucht nicht aisreichend weiterentwickelt, ergänzt oder verbessert. Das spricht nach unserer Erfahrung aber in keiner Weise gegen das Konzept der Freiraumgestsaltung für Fußgänger in Frage, sondern ist allein der Unentschlossenheit der Politik zu verdanken. Kurzzeitparker stören den Verkehr, beeinträchtigen das Straßenbild und beanspruchen wertvollen öffentlichen Raum mit nur geringem Nutzen. Im Vorfeld des Verkehrsversuchs hatte die Verwaltung ermittelt, dass täglich im Schnitt 80 Tickets gezogen wurden. Das macht bei etwa 20 Geschäftslokalen täglich lediglich vier Parkvorgänge je Laden, von denen nur ein Teil Geschäftte auf der Sebastianusstraße selbst zum Ziel hat. Die Wichtigkeit des Autoverkehrs wird massiv überschätzt. Die Taxistände sind auf ihrem neuen Platz am Glockhammer besser aufgehoben. Denn dort stören sie nicht den fließnden Verkehr an der Ampel. Außerdem müsste man dafür das Parklet des Schwatte Päd zurückbauen. Bewertung: Alle drei Maßnahmen würden die Aufenthaltsqualität der Sebastianusstraße verringern.

Zu 2. Freigabe für KFZ rund um die Uhr, soziale Kontrolle.

Dass die nächtliche Anwesenheit von Autos die soziale Kontrolle einer Straße verbessern soll, trifft sicher für Streifenwagen der Ordnungskräfte zu, gerne auch bürgernah mit Fahrrad statt Auto. Parkende PKW sind Sichthinderisse, welche die soziale Kontrolle eher beeinträchtigen statt fördern. Man kann ja nicht erkennen, wer oder was dahinter ist. Bewertung: Das Argument widerspricht der Alltagserfahrung.

Zu 3. Hochbeete verlegen. Die Hochbeete tragen mit einer gut gepflegten Bepflanzung zur optischen Aufwertung des Straßenraums bei. An ihren derzeitigen Standorten im Seitenraum zwischen Fahrbahn und Gehweg stehen sie für diesen Zweck optimal. Entfernt man sie von dort, fehlt ein schöner Blickfang. Stellt man sie versetzt auf die Fahrbahn, um die Geschwindigkeit zu dämpfen, schafft men unnötige Konflikte zwischen Auto- und Radverkehr. Bewertung: kontraproduktive Maßnahme

Zu 4. Sitzmöbel in der Hand der Geschäftsinhaber. Grundsätzlich ist es eine gute Sache, Anlieger in die Aufwertung des öffentlichen Raums einzubeziehen. Allerdings kämen hierfür nur kleine, leicht transportable Bänke oder Stühle in Betracht, da die Ladeninhaber die Möbel täglich raus- und reinstellen und nachts in der Geschäftsräumen lagern müssten.

Weitere Anmerkungen

Derzeit ist die Sebastianusstraße während der Geschäftszeiten für Autoverkehr frei. Wer dort eine Besorgung zu machen hat, kann sich im eingeschränkten Halteverbot absetzen lassen und in Ruhe einkaufen. Früher war das nicht möglich, da gab des nur bewirtschafttete Parkplätze, die fast immer besetzt waren. Wer kein Glück hatte, musste weiterfahren oder blieb, wenn er die Verkehrsregeln nicht so ernst nahm, in zweiter Reihe stehen und behinderte so andere Verkehrsteilnehmer. Wir glauben, dass wir solche Zustande nicht mehr zulassen sollten.

Außerdem gibt es Pläne, die Ampelanlage im Kreuzungsbereich mit Büchel/Niederstraße abzubauen. Bei eingeschränktem Autoverkehr ist das möglicherweise machbar, die Verwaltung prüft das. Wenn man aber mit dem Angebot von Kurzzeitparkplätzen wieder mehr Autoverkehr in die Sebastianusstraße holt, wird ain Verzicht auf die LSA kaum möglich sein.

Wir hoffen, dass Einigkeit darüber besteht, dass der Durchgangsverkehr aus der Sebastianusstraße herausgehalten werden sollte. Derzeit ist sie zusammen mit der Spulgasse eine bequeme Zufahrt zu den Tiefgaragen Meererhof und Kaufhof, über den Rheinwallgraben auch zum Parkhaus Rheintor. Es war geplant, die Zufahrt zu den Tiefgaragen nur noch vom Rheinwallgraben her zu ermöglichen, auch um den Glockhammer zu entlasten (und im Vorlauf auch Druausallee und Erftstraße). Wir finden, dass man sich mehr auf solche verkehrsberuhigenden Maßnahmen konzentrieren sollte statt noch mehr Verkehr in diesen senisblen Bereich zu lenken.

Mehr Mut, mehr Dialog

Wenn die Politik dem Antrag folgt, dann muss man leider wieder mit Stress und Chaos wie in unserem Titelbild rechnen. Die Sebastianusstraße würde ihre Funktion als wichtiger Lückenschluss in der West-Ost-Fahrradachse von der Drususalle über den Glockhammer bis zum Wendersplatz verlieren. Wir glauben nicht, dass das jemand ernsthaft will, auch die Antragstellerin nicht. Wir appellieren an alle demokratischen Parteien, den einmal eingeschlagenen Weg wieder aufzunehmen. Das Konzept der SPD vom vorigen Dezember baut auf Verbesserung statt Rückbau. Wir halten das für einen guten Ansatz, den man parteiübergreifend weiterentwickeln sollte. Wie das am besten geschehen kann, muss im Dialog herausgefunden werden. In diesen Dialog sind nicht nur die Parteien, Eigentümer und Ladeninhaber einzubeziehen, sondern auch die täglichen Nutzer des öffentlichen Raums. Der ADFC ist gerne bereit, sich an einem solchen Dialog zu beteiligen. Als Inhaber eines kleinen Ladens auf dem Glockhammer gleich nebenan sind wir selbst betroffen und helfen gerne mit, Ideen für eine Fußgänger- und Radfahrer-verträgliche Gestaltung der Achse Sebastianusstraße/Glockhammer zu beteiligen.

https://neuss.adfc.de/pressemitteilung/sebastianusstrasse-vorwaerts-entwickeln-nicht-rueckwarts

Häufige Fragen von Alltagsfahrer*innen

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  • Was muss ich beachten, um mein Fahrrad verkehrssicher zu machen?

    Wie ein Fahrrad verkehrstauglich auszustatten ist, legt die Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO) fest. Vorgesehen sind darin zwei voneinander unabhängige Bremsen, die einen sicheren Halt ermöglichen. Für Aufmerksamkeit sorgen Radler*innen mit einer helltönenden Klingel, während zwei rutschfeste und festverschraubte Pedale nicht nur für den richtigen Antrieb sorgen. Je zwei nach vorn und hinten wirkende, gelbe Rückstrahler an den Pedalen stellen nämlich darüber hinaus sicher, dass Sie auch bei eintretender Dämmerung gut gesehen werden können. Ein rotes Rücklicht erhöht zusätzlich die Sichtbarkeit nach hinten und ein weißer Frontscheinwerfer trägt dazu bei, dass Radfahrende die vor sich liegende Strecke gut erkennen. Reflektoren oder wahlweise Reflektorstreifen an den Speichen sind ebenfalls vorgeschrieben. Hinzu kommen ein weißer Reflektor vorne und ein roter Großrückstrahler hinten, die laut StVZO zwingend vorgeschrieben sind.

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  • Worauf sollte ich als Radfahrer*in achten?

    Menschen, die Rad fahren oder zu Fuß gehen, gehören zu den ungeschützten Verkehrsteilnehmern. Sie haben keine Knautschzone – deshalb ist es umso wichtiger, sich umsichtig im Straßenverkehr zu verhalten. Dazu gehört es, selbstbewusst als Radfahrender im Straßenverkehr aufzutreten, aber gleichzeitig defensiv zu agieren, stets vorausschauend zu fahren und mit Fehlern von anderen Verkehrsteilnehmern zu rechnen.Passen Sie Ihre Fahrweise der entsprechenden Situation an und verhalten Sie sich vorhersehbar, in dem Sie beispielsweise Ihr Abbiegen durch Handzeichen ankündigen. Halten Sie Abstand von Lkw, Lieferwagen und Kommunalfahrzeugen. Aus bestimmten Winkeln können Fahrer nicht erkennen, ob sich seitlich neben dem Lkw Radfahrende befinden. Das kann bei Abbiegemanövern zu schrecklichen Unfällen führen. Beachten Sie immer die für alle Verkehrsteilnehmer gültigen Regeln – und seien Sie nicht als Geisterfahrer auf Straßen und Radwegen unterwegs.

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    Das Angebot an Elektrofahrrädern teilt sich in unterschiedliche Kategorien auf: Es gibt Pedelecs, schnelle Pedelecs und E-Bikes. Pedelecs sind Fahrräder, die durch einen Elektromotor bis 25 km/h unterstützt werden, wenn der Fahrer in die Pedale tritt. Bei Geschwindigkeiten über 25 km/h regelt der Motor runter. Das schnelle Pedelec unterstützt Fahrende beim Treten bis zu einer Geschwindigkeit von 45 km/h. Damit gilt das S-Pedelec als Kleinkraftrad und für die Benutzung sind ein Versicherungskennzeichen, eine Betriebserlaubnis und eine Fahrerlaubnis der Klasse AM sowie das Tragen eines Helms vorgeschrieben. Ein E-Bike hingegen ist ein Elektro-Mofa, das Radfahrende bis 25 km/h unterstützt, auch wenn diese nicht in die Pedale treten. Für E-Bikes gibt es keine Helmpflicht, aber Versicherungskennzeichen, Betriebserlaubnis und mindestens ein Mofa-Führerschein sind notwendig. E-Bikes spielen am Markt keine große Rolle. Dennoch wird der Begriff E-Bike oft benutzt, obwohl eigentlich Pedelecs gemeint sind – rein rechtlich gibt es große Unterschiede zwischen Pedelecs und E-Bikes.

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  • Gibt es vom ADFC empfohlene Radtouren für meine Reiseplanung?

    Wir können die Frage eindeutig bejahen, wobei wir Ihnen die Auswahl dennoch nicht leicht machen: Der ADFC-Radurlaubsplaner „Deutschland per Rad entdecken“ stellt Ihnen mehr als 165 ausgewählte Radrouten in Deutschland vor. Zusätzlich vergibt der ADFC Sterne für Radrouten. Ähnlich wie bei Hotels sind bis zu fünf Sterne für eine ausgezeichnete Qualität möglich. Durch die Sterne erkennen Sie auf einen Blick mit welcher Güte Sie bei den ADFC-Qualitätsradrouten rechnen können.

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