Stadtgespräch: Wem gehört der öffentliche Raum?

Beim 23. Neusser Stadtgespräch der Neuss Agenda 21 am 16. März 2023 war die Aufteilung des öffentlichen Raums das Thema des Abends. Der Saal in der Alten Post war bis auf den letzten Platz besetzt. Es wurde mehr als zwei Stunden lang diskutiert.

Angeregte Debatte in der Alten Post bis nach 21 Uhr © ADFC

Wenn die Neuss Agenda 21 zum Stadtgespräch in die Alte Post einlädt, ist guter Besuch garantiert. Am 16. März 2023 waren so viele interessierte Bürgerinnen und Bürger gekommen, dass kein Stuhl mehr frei blieb. Auch das überraschte nicht, denn das Thema, wem der öffentliche Raum "gehört", zieht. Schließlich geht es dabei, wie jeder weiß, um nicht weniger als eine Verkehrswende. Entsprach auch der Verlauf des Abends den Erwartungen? Darauf kommen wir am Ende des Berichts zurück.

Nach der Begrüßung durch Roland Kehl führte Stefan Küppers vom Forum Stadtentwicklung in das Thema ein und übergab Dahlia Busch für einen Impulsvortrag das Wort.

Vortrag

Frau Busch ist die Mobilitätsmanagerin der Stadt Neuss und bringt mit ihrer Herkunft aus Köln, wo sie in einem Büro für Stadtplanung gearbeitet hatte, den unvoreingenommenen und erfahrenen Blick von außen mit. Sie berichtete von den aktuellen Aktivitäten der Stadt, in deren Zentrum das vom Trierer Büro Raumkom erarbeitete neue Mobilitätskonzept für Neuss steht, über das man unter www.neuss-mobil.de mehr erfahren kann. Positive Kommunikation ist Dahlia Busch ein wichtiges Anliegen, deshalb beschloss sie ihren Vortrag mit einigen visionären Animationen eines menschenfreundlichen Stadtumbaus des "visuellen Utopisten" Jan Kamenski. www.visualutopias.com. Dafür gab es spontanen Beifall aus dem Publikum.

Podium

In der anschließenden Podiumsrunde mit geladenen Gästen machte Judith Darteh vom ADFC den Aufschlag. Sie wies darauf hin, wie wichtig es ist, unseren Kindern mehr und sichereren Raum zu geben. Fahrradstraßen, auf denen der Radverkehr den Vorrang hat, sind dafür ein geeignetes Instrument, denn Überholen mit dem Auto ist auf den engen Straßen der Innenstadtquartiere ohnehin nicht möglich, so Darteh. Und für die Beseitigung von Mängeln in der Infrastruktur forderte sie eine "schnelle Eingreiftruppe", was eine erfrischende Diskussion um einen bürgerfreundlichen Mängelmelder in Gang setzte.

Christoph Hölters, Dezernent für Planung der Stadt Neuss, war für die Beantwortung von Fragen zuständig, aber auch für Grundsätzliches: "Passiver Verkehr" behindere aktives Leben in der Stadt, stellte Hölters klar. Damit machte er deutlich, wie sehr die auf der Straße parkenden Autos den Handlungsspielraum der Verwaltung für eine bürgerfreundliche Gestaltung des Straßenraums behindern.

Petra Nöhre vom Behindertenverband VdK zeigte an einem Positivbeispiel, wie etwa Menschen im Rollstuhl sichtbarer wurden und auch selbst mehr sehen können: Seit der Wegnahme von Parkplätzen und der Reduzierung des Autoverkehrs auf der Sebastianusstraße fühlen sich Menschen mit Behinderung dort viel sicherer.

Iko Tönjes vom Verkehrclub VCD formulierte das Motto der Veranstaltung kurzerhand um: Statt "Wem gehört die Stadt?" fragte er "Wer braucht und nutzt die Stadt?" und stellte damit Besitzdenken hintan und die Nutzer in den Vordergrund. Ein interessanter Gedanke, der konsequent verfolgt dazu nötigt, alte Ansprüche und Gewohnheiten aufzubrechen. Mit Blick auf die von Frau Busch gezeigten visionären Videos, in denen Autos und Verkehrsschilder verschwanden und Fahrräder und Grün sich breit machten, meinte er: "Wenn man Innenstadtstraßen so umgebaut hat, finden das nachher alle gut." Allerdings: "The pain is in the change." Und in dieser Phase befinden wir uns gerade.

Diskussion mit dem Publikum

Nach der Podiumsrunde ging es fast nahtlos in eine sehr angeregte Diskussion unter Beteiligung des Publikums über. Zahlreiche Themen wurden angesprochen, wir geben einige Beiträge in Kurzform wieder:

  • Eine Vielfahrerin auf dem Fahrrad bemängelt die häufig zugeparkten Radwege auf der Bergheimer Straße und, dass die neuen Radwege der Bataverstraße so häufig "zwischen Autos hin und her geführt" werden.
  • Eine Mutter zweier Kinder aus Holzheim, eines davon mit Behinderung, beklagt: "Meine Tochter hat  keine Chance, hinter [parkenden] Autos den abgesenkten Bordstein zu finden."
  • Eine Anwohnerin der Gartenstraße macht Gebrauch von der Möglichkeit, das Parkhaus Niedertor als Quartiersgarage für ihr E-Auto zu nutzen, findet das Parkhaus aber immer wieder besetzt vor. Ein resignierter Kommentar dazu: "Die Autos werden nicht weniger."
  • Ein Herr aus Reuschenberg schlägt vor, auf der Bergheimer Straße eine Umweltspur einzurichten.
  • Eine Innenstadt-Bewohnerin wünscht sich, dass die Stadt für mehr und attraktivere Plätze sorgt und bei der anstehenden Nachnutzung des Kaufhofgebäudes auch an Freizeitangebote für die Bürger denkt. Sie verweist auf einen WDR-Beitrag zum Thema.
  • Eine Bewohnerin der Nordstadt schlägt vor, auf dem an der Römerstraße, Ecke Im Tal aufgestellten Display witzige Botschaften zu zeigen, die Autofahrende zum Nachdenken anregen.
  • Ein Herr merkt an, dass auf dem Meererhof früher mehr Stadtleben war, bis einige Anwohner gegen Lärm klagten und der Markt zur Piazza wurde.
  • Ein Autofahrer in der Innenstadt braucht keinen Parkplatz vor der Tür. Aber er vermisst Ladezonen, wo man kurz Dinge oder Personen ein- und ausladen kann.

Fazit

Viele der Fragen blieben ohne Antwort. Aber es war gut, dass sie gestellt wurden, und einige der Anwesenden, auch aus der Verwaltung, machten sich fleißig Notizen von den Wortbeiträgen.

Zu den offenen Fragen gehörte ein spannendes Thema, auf das Judith Darteh vom ADFC noch hinwies: Sie forderte, dass die Wege zum Hauptbahnhof für Radfahrer und Fußgänger bequemer und für Autofahrer unbequemer werden müssen, denn erstere sind die Hauptnutzer der ÖPNV mit seinen vielen Angeboten zum Umsteigen. Darauf ging Frau Busch in ihrer Funktion als Mobilitätsbeauftragte gleich ein und kündigte an, dass es im Herbst einen Workshop dazu geben wird.

Ein wichtiges, aber leider zu kurz gekommenes Thema ist, dass bei der anstehenden Neubewertung der Nutzungen des öffentlichen Raums auch der Klimawandel und dessen Folgen eine entscheidende Rolle spielt. Darauf wies Iko Tönjes vom VCD dankenswerterweise hin. Und immerhin gibt es einen Klimabeirat der Stadt Neuss, in dem auch der ADFC für den Bereich Verkehr eine Stimme hat.


https://neuss.adfc.de/neuigkeit/dikussion-wem-gehoert-der-oeffentliche-raum

Häufige Fragen von Alltagsfahrer*innen

  • Was macht der ADFC?

    Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club e.V. (ADFC) ist mit bundesweit mehr als 200.000 Mitgliedern, die größte Interessenvertretung der Radfahrerinnen und Radfahrer in Deutschland und weltweit. Politisch engagiert sich der ADFC auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene für die konsequente Förderung des Radverkehrs. Er berät in allen Fragen rund ums Fahrrad: Recht, Technik, Tourismus.

    weiterlesen

  • Was bringt mir eine ADFC-Mitgliedschaft?

    Radfahren muss sicherer und komfortabler werden. Wir nehmen dafür – auch Dank Ihrer Mitgliedschaft – nicht nur Einfluß auf Bundestagsabgeordnete, sondern setzen uns auf Landes- und Kommunalebene für die Interessen von Radfahrern ein. Für Sie hat die ADFC Mitgliedskarte aber nicht nur den Vorteil, dass wir uns für einen sicheren und komfortablen Radverkehr einsetzen: Sie können egal, wo Sie mit Ihrem Fahrrad unterwegs sind, deutschlandweit auf die AFDC-Pannenhilfe zählen. Außerdem erhalten Sie mit unserem zweimonatlich erscheinenden ADFC-Magazin Information rund um alles, was Sie als Radfahrer politisch, technisch und im Alltag bewegt. Zählen können ADFC-Mitglieder außerdem auf besonders vorteilhafte Sonderkonditionen, die wir mit Mietrad- und Carsharing-Anbietern sowie Versicherern und Ökostrom-Anbietern ausgehandelt haben. Sie sind noch kein Mitglied?

    weiterlesen

  • Was muss ich beachten, um mein Fahrrad verkehrssicher zu machen?

    Wie ein Fahrrad verkehrstauglich auszustatten ist, legt die Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO) fest. Vorgesehen sind darin zwei voneinander unabhängige Bremsen, die einen sicheren Halt ermöglichen. Für Aufmerksamkeit sorgen Radler*innen mit einer helltönenden Klingel, während zwei rutschfeste und festverschraubte Pedale nicht nur für den richtigen Antrieb sorgen. Je zwei nach vorn und hinten wirkende, gelbe Rückstrahler an den Pedalen stellen nämlich darüber hinaus sicher, dass Sie auch bei eintretender Dämmerung gut gesehen werden können. Ein rotes Rücklicht erhöht zusätzlich die Sichtbarkeit nach hinten und ein weißer Frontscheinwerfer trägt dazu bei, dass Radfahrende die vor sich liegende Strecke gut erkennen. Reflektoren oder wahlweise Reflektorstreifen an den Speichen sind ebenfalls vorgeschrieben. Hinzu kommen ein weißer Reflektor vorne und ein roter Großrückstrahler hinten, die laut StVZO zwingend vorgeschrieben sind.

    weiterlesen

  • Worauf sollte ich als Radfahrer*in achten?

    Menschen, die Rad fahren oder zu Fuß gehen, gehören zu den ungeschützten Verkehrsteilnehmern. Sie haben keine Knautschzone – deshalb ist es umso wichtiger, sich umsichtig im Straßenverkehr zu verhalten. Dazu gehört es, selbstbewusst als Radfahrender im Straßenverkehr aufzutreten, aber gleichzeitig defensiv zu agieren, stets vorausschauend zu fahren und mit Fehlern von anderen Verkehrsteilnehmern zu rechnen.Passen Sie Ihre Fahrweise der entsprechenden Situation an und verhalten Sie sich vorhersehbar, in dem Sie beispielsweise Ihr Abbiegen durch Handzeichen ankündigen. Halten Sie Abstand von Lkw, Lieferwagen und Kommunalfahrzeugen. Aus bestimmten Winkeln können Fahrer nicht erkennen, ob sich seitlich neben dem Lkw Radfahrende befinden. Das kann bei Abbiegemanövern zu schrecklichen Unfällen führen. Beachten Sie immer die für alle Verkehrsteilnehmer gültigen Regeln – und seien Sie nicht als Geisterfahrer auf Straßen und Radwegen unterwegs.

    weiterlesen

  • Was ist der Unterschied zwischen Pedelecs und E-Bikes?

    Das Angebot an Elektrofahrrädern teilt sich in unterschiedliche Kategorien auf: Es gibt Pedelecs, schnelle Pedelecs und E-Bikes. Pedelecs sind Fahrräder, die durch einen Elektromotor bis 25 km/h unterstützt werden, wenn der Fahrer in die Pedale tritt. Bei Geschwindigkeiten über 25 km/h regelt der Motor runter. Das schnelle Pedelec unterstützt Fahrende beim Treten bis zu einer Geschwindigkeit von 45 km/h. Damit gilt das S-Pedelec als Kleinkraftrad und für die Benutzung sind ein Versicherungskennzeichen, eine Betriebserlaubnis und eine Fahrerlaubnis der Klasse AM sowie das Tragen eines Helms vorgeschrieben. Ein E-Bike hingegen ist ein Elektro-Mofa, das Radfahrende bis 25 km/h unterstützt, auch wenn diese nicht in die Pedale treten. Für E-Bikes gibt es keine Helmpflicht, aber Versicherungskennzeichen, Betriebserlaubnis und mindestens ein Mofa-Führerschein sind notwendig. E-Bikes spielen am Markt keine große Rolle. Dennoch wird der Begriff E-Bike oft benutzt, obwohl eigentlich Pedelecs gemeint sind – rein rechtlich gibt es große Unterschiede zwischen Pedelecs und E-Bikes.

    weiterlesen

  • Gibt es vom ADFC empfohlene Radtouren für meine Reiseplanung?

    Wir können die Frage eindeutig bejahen, wobei wir Ihnen die Auswahl dennoch nicht leicht machen: Der ADFC-Radurlaubsplaner „Deutschland per Rad entdecken“ stellt Ihnen mehr als 165 ausgewählte Radrouten in Deutschland vor. Zusätzlich vergibt der ADFC Sterne für Radrouten. Ähnlich wie bei Hotels sind bis zu fünf Sterne für eine ausgezeichnete Qualität möglich. Durch die Sterne erkennen Sie auf einen Blick mit welcher Güte Sie bei den ADFC-Qualitätsradrouten rechnen können.

    weiterlesen

Bleiben Sie in Kontakt