Peabody Place in Memphis

Peabody Place in Memphis © Nicolas Olyer

ADFC-Workshop beleuchtet Beteiligungspraxis weltweit

Im Rahmen des ADFC-Projekts InnoRADQuick gaben Referent*innen aus dem In- und Ausland bei einem digitalen Workshop Einblicke, wie Bürgerinnen und Bürger in der Praxis bei Verkehrs- und Radverkehrsprojekten beteiligt werden können.

Der ADFC hat in den letzten Jahren erfolgreich dazu beigetragen, wichtige Impulse zur Radverkehrsförderung aus der internationalen Praxis in den deutschen Diskurs zu tragen. Aus dem ADFC-Projekt InnoRAD ist eine Toolbox mit besonders erfolgreichen internationalen Infrastrukturlösungen und deren Rechtsrahmen für Kommunen entstanden.

Das Nachfolgeprojekt heißt InnoRADQuick und legt den Fokus auf Maßnahmen, Konzepte und Prozesse sowie Infrastruktur für den Radverkehr, die schnell umgesetzt werden können. Das können die Umgestaltung von Plätzen sein, an denen die Menschen vor Ort beteiligt wurden, aber auch schnelle Maßnahmen wie Pop-up-Radwege.

Mit der Sammlung der Maßnahmen und Methoden will der ADFC Kommunen in Deutschland bei der Radverkehrsförderung helfen und sie inspirieren.

Für den digitalen Workshop zum Thema „Vielfalt in der Bürger*innenbeteiligung – Ein Blick in die Praxis“ Ende Januar 2022 konnte der ADFC Referent*innen aus dem In- und Ausland gewinnen. Sie gaben Einblicke in ihre Praxis und zeigten, wie die Beteiligung vor Ort bei Stadtentwicklungsprojekten funktionieren kann. Gut 120 Menschen nahmen am Workshop teil, darunter Planerinnen und Planer, aber auch Vertreter*innen von Politik und Verwaltung.

Rotterdam: Enge Zusammenarbeit mit der Fahrradlobby

Bart Christiaens ist Fahrradkoordinator der Stadt Rotterdam und berichtete, dass die niederländische Stadt nicht das Ziel einer Fahrradstadt, sondern einer lebenswerten Stadt verfolgt. „Und da ist das Radfahren nur logisch“, sagte er. Wenn Infrastruktur in Rotterdam neu geplant werde, gehe man als erstes vom Fußverkehr und dann vom Radverkehr aus, anschließend folgt der ÖPNV und als letztes werden die Bedürfnisse des Autoverkehrs berücksichtigt.

Als Fahrradkoordinator arbeitet er eng mit dem Fietsersbond, der Interessenvertretung der Radfahrenden in den Niederlanden, ähnlich dem ADFC, zusammen. Es gibt regelmäßige Beratungen, aber auch Besichtigungen von Infrastruktur vor Ort. Er berichtete auch davon, dass er als Fahrradkoordinator daran arbeitet, eine Fahrradkultur in der Stadt zu etablieren.

In Rotterdam gibt es niedrigschwellige Ansätze, wie sich die Menschen vor Ort einbringen können, um ihre Stadt fahrradfreundlicher zu machen. Wenn beispielsweise drei Menschen, die in einer Straße leben, Fahrradparkplätze anfragen, wird ein Autoparkplatz für sechs Monate zum Fahrradparkplatz umfunktioniert. Werden diese ausreichend genutzt, werden die Fahrradparkplätze im Anschluss dauerhaft eingerichtet.

Hamburg: Eigene Ideen umsetzen

Viola Koch ist Projektleiterin im Bezirksamt Hamburg Altona und stellte das Pilotprojekt „Ottensen macht Platz“ vor. In dem Hamburger Stadtteil im Bezirk Altona entstand erst zeitweise und später dauerhaft ein autoarmes Quartier, bei dem der Straßenraum zugunsten von Fuß- und Radverkehr neuaufgeteilt wurde.

Vor und während des Projektzeitraums wurden Anwohner*innen und Gewerbetreibende informiert und beteiligt. Es gab Informations- und Beteiligungsveranstaltungen sowie Sprechstunden für Bürgerinnen und Bürger. Anwohner*innen und Interessierte konnten ihre Ideen bei regelmäßigen Ideentreffen einbringen, wie sie die freiwerdenden Flächen gestalten und nutzen wollen. Außerdem gab es projektbegleitend Befragungen von Anwohner*innen, Gewerbetreibenden und Passant*innen.

Mailand: Bürgerinnen und Bürger packen mit an

In Mailand verfolgt man den Ansatz, dass der öffentliche Raum den Bürgerinnen und Bürgern gehört, berichtete Demetrio Scopelliti, der Direktor der Agentur für Umwelt und territoriale Mobilität. Er erzählte, wie die italienische Stadt zusammen mit ihren Bürger*innen öffentliche Plätze umgestaltet hat. Mit dem Einsatz von viel Farbe und vielen Freiwilligen gelang es 38 Plätze zu lebenswerteren Orten für alle zu machen. Es sollen noch mehr dieser Projekte umgesetzt werden.

Memphis: Menschen werden bevollmächtigt

Nicolas Oyler ist Programm-Manager für den Rad- und Fußverkehr von Memphis. Er erklärte, dass bei der Umsetzung von Projekten in seinem Zuständigkeitsbereich, die Menschen vor Ort immer aktiv beteiligt werden. Dabei reicht die Bandbreite vom „Mitwirken“ über „Zusammenarbeiten“ bis hin zum „Bevollmächtigen“.

Als Beispiel fürs „Mitwirken“ nannte er das Charrette-Verfahren, bei dem Entscheidungsträger*innen wie Planer*innen mit Betroffenen und interessierten Bürger*innen über ein geplantes Bauvorhaben diskutieren und gemeinsam die Planung vorantreiben.

Auf Ebene des „Zusammenarbeitens“ werden Konzepte zwischen Entscheidungsträger*innen und Bürger*innen gemeinsam entwickelt. Dafür werden interaktive Workshops, interaktive Karten zur Datenerhebung, Rundgänge oder Pop-up-Projekte genutzt.

Auf der Ebene des „Bevollmächtigens“ gehen die Projekte von den Bürger*innen selbst aus und verbleiben in ihrer Verantwortung. Hier sprach Oyler vom „Tactical Urbanism“ und übersetzte das mit „anwohnergeführten Übergangsprojekten“.

Gemeint sind kostengünstige, meist temporäre Veränderungen im Straßenraum, die Nachbarschaften und städtische Treffpunkte lebenswerter gestalten. So bringen Menschen vor Ort mit dem Einsatz von Farbe schon mal einen provisorischen Zwei-Richtungs-Radweg auf der Straße.

Bremen: Vorteile erläutern

Michael Glotz-Richter ist Referent für Nachhaltige Mobilität in Bremen. Er stellte die Vorzeigeprojekte der Hansestadt vor, wie das Fahrradmodellquartier Alte Neustadt.

In dem Stadtteil entstand rund um die dort ansässige Hochschule Bremen ist ein durchgängiges Netz von Fahrradstraßen – Deutschlands erste Fahrradzone. Außerdem sind viele neue Fahrradstellplätze errichtet und bessere Querungsmöglichkeiten für den Rad- und Fußverkehr an Hauptverkehrsstraßen gebaut worden.

Die Hochschule betreibt zudem ein Fahrrad-Repair-Café, eine Station, an der man sich Fahrräder und Lästenräder leihen kann, sowie Ladestationen für Elektroräder.

Die Idee zum Fahrrad-Modellquartier kam aus dem Kreis der Initiatoren von Hochschule Bremen und des ADFC Bremen. Die Anwohner*innen wurden frühzeitig beteiligt und die Vorzüge des Modellquartiers in der Kommunikation immer wieder erläutert. Dennoch gab es auch Konflikte, sagte Glotz-Richter.

Hanna Kasper, Geschäftsführerin der translake GmbH, stellte die Tätigkeitsbereiche ihres Unternehmens vor, das sich professionell mit Bürger*innenbeteiligung befasst. Je nach Vorhaben bieten sie unterschiedliche Formate wie Spaziergänge, Exkursionen und anschließende Bürgerveranstaltungen, aber auch Onlineformate an. Sie betonte, dass es oft sinnvoll ist, auch Angebote für Gruppen zu schaffen, die sich sonst nicht an solchen Formaten beteiligen, deren Stimme aber trotzdem wichtig ist.

Podiumsdiskussion: Wie kann erfolgreiche Partizipation gelingen?

Im Anschluss an die Kurzimpulse gab es eine Podiumsdiskussion unter der Fragestellunge, wie erfolgreiche Partizipation der Bürgerinnen und Bürger gelingen kann.

Die Beteiligten hoben vor allem das Konfliktmanagement hervor. Bei den vorgestellten Projekten geht es um den begrenzten öffentlichen Raum. Da sei es wichtig, alle mit ins Boot zu holen und alle Ängste ernst zu nehmen, auch wenn man nicht immer alle Menschen überzeugen könne. Visualisierungen können helfen, Menschen Ängste zu nehmen und sich die Veränderungen vorzustellen.

Angesprochen wurde auch, dass es wichtig ist, eine Entscheidungskultur zu entwickeln. Menschen aktiv zu beteiligen, sei bedeutend, aber damit das Projekt vorangeht, müssen im Prozess auch Entscheidungen getroffen werden. In der Diskussion zeigte sich, dass es hilft, schon im Vorfeld klar zu kommunizieren, an welchen Stellen sich die Menschen einbringen und mitentscheiden können und an welchen nicht.

Svenja Golombek, Projektleiterin InnoRADQuick beim ADFC, gab einen Ausblick, wie es mit dem geförderten Projekt InnoRADQuick weitergeht: „Im Rahmen der Förderung sind u. a. noch eine Abschlussveranstaltung zum Projektende und einige Publikationen geplant. Dabei schauen wir uns insbesondere die Erfolgsfaktoren an, die national und international sowohl bei Schnellbaumethoden sowie beim Errichten von Radverkehrsnetzen oder -infrastruktur, aber auch bei der Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern bei städtebaulichen Projekten zum Erfolg geführt haben. Diese Faktoren wollen wir zusammenfassend aufbereiten und Politik und Verwaltung zur Verfügung stellen.“

Die Powerpoint-Präsentationen einiger Referent*innen stehen in der blauen Servicebox zur Ansicht bereit.

Förderlogos InnoRADQuick

Das Projekt InnoRADQuick wird vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz und dem Umweltbundesamt im Zuge der Verbändeförderung gefördert.

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Häufige Fragen von Alltagsfahrer*innen

  • Was macht der ADFC?

    Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club e.V. (ADFC) ist mit bundesweit mehr als 200.000 Mitgliedern, die größte Interessenvertretung der Radfahrerinnen und Radfahrer in Deutschland und weltweit. Politisch engagiert sich der ADFC auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene für die konsequente Förderung des Radverkehrs. Er berät in allen Fragen rund ums Fahrrad: Recht, Technik, Tourismus.

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  • Was bringt mir eine ADFC-Mitgliedschaft?

    Radfahren muss sicherer und komfortabler werden. Wir nehmen dafür – auch Dank Ihrer Mitgliedschaft – nicht nur Einfluß auf Bundestagsabgeordnete, sondern setzen uns auf Landes- und Kommunalebene für die Interessen von Radfahrern ein. Für Sie hat die ADFC Mitgliedskarte aber nicht nur den Vorteil, dass wir uns für einen sicheren und komfortablen Radverkehr einsetzen: Sie können egal, wo Sie mit Ihrem Fahrrad unterwegs sind, deutschlandweit auf die AFDC-Pannenhilfe zählen. Außerdem erhalten Sie mit unserem zweimonatlich erscheinenden ADFC-Magazin Information rund um alles, was Sie als Radfahrer politisch, technisch und im Alltag bewegt. Zählen können ADFC-Mitglieder außerdem auf besonders vorteilhafte Sonderkonditionen, die wir mit Mietrad- und Carsharing-Anbietern sowie Versicherern und Ökostrom-Anbietern ausgehandelt haben. Sie sind noch kein Mitglied?

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  • Was muss ich beachten, um mein Fahrrad verkehrssicher zu machen?

    Wie ein Fahrrad verkehrstauglich auszustatten ist, legt die Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO) fest. Vorgesehen sind darin zwei voneinander unabhängige Bremsen, die einen sicheren Halt ermöglichen. Für Aufmerksamkeit sorgen Radler*innen mit einer helltönenden Klingel, während zwei rutschfeste und festverschraubte Pedale nicht nur für den richtigen Antrieb sorgen. Je zwei nach vorn und hinten wirkende, gelbe Rückstrahler an den Pedalen stellen nämlich darüber hinaus sicher, dass Sie auch bei eintretender Dämmerung gut gesehen werden können. Ein rotes Rücklicht erhöht zusätzlich die Sichtbarkeit nach hinten und ein weißer Frontscheinwerfer trägt dazu bei, dass Radfahrende die vor sich liegende Strecke gut erkennen. Reflektoren oder wahlweise Reflektorstreifen an den Speichen sind ebenfalls vorgeschrieben. Hinzu kommen ein weißer Reflektor vorne und ein roter Großrückstrahler hinten, die laut StVZO zwingend vorgeschrieben sind.

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  • Worauf sollte ich als Radfahrer*in achten?

    Menschen, die Rad fahren oder zu Fuß gehen, gehören zu den ungeschützten Verkehrsteilnehmern. Sie haben keine Knautschzone – deshalb ist es umso wichtiger, sich umsichtig im Straßenverkehr zu verhalten. Dazu gehört es, selbstbewusst als Radfahrender im Straßenverkehr aufzutreten, aber gleichzeitig defensiv zu agieren, stets vorausschauend zu fahren und mit Fehlern von anderen Verkehrsteilnehmern zu rechnen.Passen Sie Ihre Fahrweise der entsprechenden Situation an und verhalten Sie sich vorhersehbar, in dem Sie beispielsweise Ihr Abbiegen durch Handzeichen ankündigen. Halten Sie Abstand von Lkw, Lieferwagen und Kommunalfahrzeugen. Aus bestimmten Winkeln können Fahrer nicht erkennen, ob sich seitlich neben dem Lkw Radfahrende befinden. Das kann bei Abbiegemanövern zu schrecklichen Unfällen führen. Beachten Sie immer die für alle Verkehrsteilnehmer gültigen Regeln – und seien Sie nicht als Geisterfahrer auf Straßen und Radwegen unterwegs.

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  • Was ist der Unterschied zwischen Pedelecs und E-Bikes?

    Das Angebot an Elektrofahrrädern teilt sich in unterschiedliche Kategorien auf: Es gibt Pedelecs, schnelle Pedelecs und E-Bikes. Pedelecs sind Fahrräder, die durch einen Elektromotor bis 25 km/h unterstützt werden, wenn der Fahrer in die Pedale tritt. Bei Geschwindigkeiten über 25 km/h regelt der Motor runter. Das schnelle Pedelec unterstützt Fahrende beim Treten bis zu einer Geschwindigkeit von 45 km/h. Damit gilt das S-Pedelec als Kleinkraftrad und für die Benutzung sind ein Versicherungskennzeichen, eine Betriebserlaubnis und eine Fahrerlaubnis der Klasse AM sowie das Tragen eines Helms vorgeschrieben. Ein E-Bike hingegen ist ein Elektro-Mofa, das Radfahrende bis 25 km/h unterstützt, auch wenn diese nicht in die Pedale treten. Für E-Bikes gibt es keine Helmpflicht, aber Versicherungskennzeichen, Betriebserlaubnis und mindestens ein Mofa-Führerschein sind notwendig. E-Bikes spielen am Markt keine große Rolle. Dennoch wird der Begriff E-Bike oft benutzt, obwohl eigentlich Pedelecs gemeint sind – rein rechtlich gibt es große Unterschiede zwischen Pedelecs und E-Bikes.

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  • Gibt es vom ADFC empfohlene Radtouren für meine Reiseplanung?

    Wir können die Frage eindeutig bejahen, wobei wir Ihnen die Auswahl dennoch nicht leicht machen: Der ADFC-Radurlaubsplaner „Deutschland per Rad entdecken“ stellt Ihnen mehr als 165 ausgewählte Radrouten in Deutschland vor. Zusätzlich vergibt der ADFC Sterne für Radrouten. Ähnlich wie bei Hotels sind bis zu fünf Sterne für eine ausgezeichnete Qualität möglich. Durch die Sterne erkennen Sie auf einen Blick mit welcher Güte Sie bei den ADFC-Qualitätsradrouten rechnen können.

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